Verena Roelants
Woodstocks Enten
ISBN: 978-3-85415-701-4ca. 100 Seiten, brosch., Frühjahr 2026
Nicht vorrätig
Ein weibliches Ich driftet zwischen Kaufhandlungen und Lokalbesuchen, versucht die Erinnerung an einen Mann namens C. zu löschen und sucht Halt in der Teilnahme am schillernden Leben der kreativen Social-Media-Figur Nelly. Im Nachkaufen von deren Style erschafft sich die Erzählerin eine Instant-Identität zwischen Schnallensandalen und Crossbody Bag. Die Welt gerinnt zur App zwischen Daumen und Zeigefinger, Geschehen löst sich auf in flüchtige Kürzestszenen und Schnappschüsse. Bedienungsmodi des Smartphones wie Einzoomen oder abrupte Bildwechsel (Wischen) steuern die Textbewegung: Wahrnehmen als obsessives Registrieren von Oberflächen.
Einer Wirklichkeit, die zunehmend nach der Logik von „Pics“ und Videos erfahren wird, hält die Autorin den Entwurf einer multisensorischen Poetik entgegen. In jedem der einzelnen Kapitel dominiert jeweils eine andere Sinnesempfindung – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten. Eine gleichsam archivarische Ordnung der Beobachtungssplitter ermöglicht es schließlich der Figur, die mit C. verbundene Wehmut abzulegen. „Programmatisch“ in den Text eingeführte, beliebte Produktnamen erzeugen eine Kulisse durchschnittlicher Alltäglichkeit, deren Atmosphären zwischen behaglicher Vertrautheit und monströser Abgründigkeit changieren.
Verena Roelants Erzählung einer digitalen Flaneurin fokussiert auf existentielle Zerwürfnisse heutiger Lebenswelt ebenso wie auf die soziale Diskrepanz von Lebensmöglichkeiten. Beim bewussten Erleben des eigenen Sensoriums freilich steht eine Ruderpartie im Ententeich dem heißen California-Roadtrip der Trendsetterin keineswegs nach: Verena Roelants Woodstocks Enten verwandeln das Unspektakuläre auf subtile Weise in ein literarisches Highlight.

